Diese während einer Befahrung des Gips-Bergwerks bei Dalaas entstandene Aufnahme zeigt napfförmige Tropfstellen, die sich in einer bläulich-grün schimmernden Gipssinterdecke gebildet haben (Foto: Emil Büchel).

Am 14.03.1980 unternahm eine Gruppe Höhlenforscher des Karst- und höhlenkundlichen Ausschusses des Vorarlberger Landesmuseumsvereins eine geführte Befahrung des Bergwerks. Als Führer durch den Stollenbau stand ein damaliger Mitarbeiter des Bauunternehmens Hilti & Jehle zur Verfügung. Dieser stellte hier seit drei Jahren im Auftrag der Berghauptmannschaft Messungen zur Feststellung und Beobachtung tektonischer Bewegungen an und war mit der Stollenanlage sehr vertraut, er ging das Wagnis von Verletzung durch unvorhersehbaren Deckensturz oder Bergschlag gelegentlich im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit ein. Die Höhlenforscher aus Neugier und Interesse. Sie waren zwar gewöhnt, sich in unterirdischen Hohlräumen zu bewegen, ein still gelegtes und seit zwanzig Jahren der Natur überlassenes Bergwerk war aber doch etwas anderes als eine Höhle.

Der Eingang in den Grubenbau bergseits der ehemaligen Verladerampe ist auf einer Länge von etwa 20 m mit Natursteinen ausgemauert, mit einem bogenförmigen Tunnelportal. Etwa 40 m westlich und 230 m östlich des gemauerten Portals sind im Grubenplan von 1957 zwei weitere Mundlöcher eingetragen.

Die Stollen bilden ein meistens rechtwinkliges Netz ebener Strecken aus Längs- und Querstollen in zwei Stockwerken, deren Ebenen 10 m in der Höhe versetzt sind. Sie verlaufen mit geringer Steigung ins Berginnere. Ein abgewinkelter Stollen von 75 m Länge auf der Höhe der Edelmannterrasse bildet ein drittes, höheres und vom Rest der Anlage unabhängiges Stockwerk. In gerader Verlängerung des Eingangsstollens sind beide unteren Ebenen der Anlage durch einen Schrägstollen verbunden. Er fällt in nördlicher Richtung in den Berg ein. Ein Stollen der untersten Ebene reicht bis seitlich unter das gemauerte Stollenportal.

Die Ost-West-Erstreckung des Grubenbaues ist wesentlich größer als die Nord-Süd-Erstreckung, nach etwa 100 m bilden hier Sandsteine und Rauhwacken eine natürliche Begrenzung des Gipsköpers. Der Stollenbau erstreckt sich etwa 465 m geradlinig der Bahn entlang nach Osten und beim Eingangsstollen 85 m tief in den Berg. Die Gesamtlänge der Stollen soll an die 700 m betragen. Am östlichen Ende berührt der südliche Stollenabschnitt auf 50 m Länge beinahe die Grundgrenze, bleibt aber noch etwa 25 m von der Gleisachse der Arlbergbahn entfernt.

Längsschnitt durch den Eingangsstollen, nach Hilti & Co (1957) (Grafik: Reinhard Elsensohn, Layout: Michael Laublättner)

Der mittlere Längsstollen erstreckt sich über die gesamte Länge der Grube, die benachbarten 3 Längsstollen sind nur abschnittsweise ausgebrochen. Im regelmäßigen Abstand von 15 m zweigen gerade Querschläge nach einer oder nach beiden Seiten ab. Diese sind sehr unterschiedlich in der Länge, enden teilweise nach wenigen Metern. Im Süden und Westen der Anlage kommen auch schräge und gekrümmte Verbindungsstollen vor.

Weiter im Osten, etwa 150 m vor dem Ende, führt ein Schrägschacht zu einem kurzen Schachtteil mit Mundloch im Bereich des Tagbaues der Edelmannterrasse hoch, dieser Gang war als Fluchtweg gedacht. Das südliche Ende des Bergbaues ist angeblich bis nahe seitlich unter die Bahntrasse vorgetrieben, der westlichste Stollen bis auf wenige Meter (~ 4 m) an den Tobel, an dem die Lawinengalerie der ÖBB liegt. Hier finden sich auch die ältesten Stollenteile, die jüngsten liegen im Osten.

Die Querschnitte der Stollen weisen im allgemeinen ein rechteckförmiges Profil von durchschnittlich etwa 4 x 4 m in der unteren Etage (auf Ebene -10,0) und 5 x 5 m im oberen Stockwerk (Ebene ±0,0) auf. Das Gipsgestein war also durchwegs standfest. Nur im östlichen Viertel der Anlage musste der Hauptstollen auf 30 m durchgehend mit Holz verbaut werden. Wo die Stollen den Tagbau unterqueren, vermindert sich die Gesteinsüberdeckung teilweise auf nur 3 Meter.

An einer Stelle ist noch zu sehen, dass der Vortrieb in Abschnitten vorgenommen wurde, wobei zuerst die größere Firste und anschließend die restliche untere Strosse gelöst wurde. Ausgebrochen wurde mit waagrecht angesetzten Bohrungen in den Profilecken und zwei bis drei in den Verbindungslinien der Ecken. Meiner Schätzung nach dürfte der Vortrieb in diesem weichen Gestein für einen Laufmeter Abschlag und je nach Profilgröße zwischen 15 und 25 kg treibenden Sprengstoff verbraucht haben.

Die Bewetterung der Vortriebe erfolgte durch Zufuhr von Frischluft über ein Rohrsystem. In einem Querschlag östlich des Einganges war ein rundes Loch zu sehen, das zur Durchführung der Lutte (Luftleitung) in die untere Etage diente. Hier war auch gut zu erkennen, dass zwischen der Firste des unterlagernden Stollens und der Sohle des oberen nur etwa 4 – 5 m Fels stehen blieben. Bei unserem Besuch war die Luft im Berg ohne spürbaren Mangel, auch die Flammen unserer Karbidlampen zeigten kein ungewöhnliches Verhalten. Luftbewegung war keine festzustellen.

Mit Ausnahme des ausgemauerten Stolleneinganges, einigen Zimmerungen und eines abgemauerten Raumes im Stollenbau – dem ehemaligen Sprengmittelmagazin – waren 1980 keine Einbauten mehr vorhanden. An einigen angeschnittenen Pfeifen eingebaute Zimmerungen aus Holz waren zur Zeit unseres Besuches schon am vermodern.

Verbruch und Verfall der Stollen zeigten sich hier ganz deutlich als zeitabhängig stattfindender Vorgang. Seit der Stilllegung des Bergwerkes zerfallen die Profile fortschreitend, die ältesten Stollen sind am meisten verbrochen, die jüngsten am wenigsten. Augenscheinlich waren dabei die doch bedeutenden Klüfte des Gesteins weniger beteiligt als Quellungserscheinungen des Gipses oder eingesprengte Anhydrit-Lagen, die zu krummschaligen Ablösungen von Platten und Schuppen entlang der Oberfläche führen.

Bruchzonen, von denen eine ernsthafte Gefahr ausgehen könnte, waren nicht zu erkennen. Auch wenn Dr. Walter Krieg und der Führer der Meinung waren, dass keines der befahrenen Gangstücke von Einsturz bedroht sei, war es trotzdem ratsam, sich vorsichtig und mit offenen Augen und Ohren zu bewegen. Bis auf die von uns selbst verursachten Geräusche war es unheimlich still, da und dort war vielleicht das Auftreffen eines Tropfens aus dem Dunkel eines abgehenden Ganges zu vernehmen.

Ein herabhängender Baumwurzelstrang breitet sich in einer Pfütze am Boden aus (Foto: Emil Büchel)

In der oberen Etage nordöstlich des Mundloches war ein Querschlag großzügig am Verbrechen. Die Schichtung steht hier stollenparallel steil nach Norden fallend, so dass die Druckbeanspruchung des Gesteins in der Ebene der Schichtung stattfindet. Schichtflächen bieten den Querzugspannungen geringen Widerstand, sie öffnen sich und ermöglichen ein seitliches Ausweichen der Gesteinspakete. Dadurch verlagert sich der Bereich der größten Druckspannung weiter nach außen ins Gebirge. Beim Vorhandensein von Anhydrit können zusätzlich Quellungserscheinungen das Ausbauchen der Stollenwandungen verstärken, besonders an der Sohle.

Infolge der durch den Gebirgsdruck verursachten Stauchungen und Ablösungen hatte sich die nördliche Ulme verformt, sie konnte dem Bergdruck aber nur durch das Ausbiegen ganzer Schichtpakete von bis zu 1 m Mächtigkeit in den Hohlraum hinein ausweichen. 40 cm über der Sohle wölbten sich die Schichten stark einwärts und zerbrachen schließlich. Platten erreichten teilweise mehrere Quadratmeter Fläche und 30 – 40 cm Stärke. Sie waren einzeln zwischen Begrenzungsklüften heraus gelöst, infolge der Vergrößerung ihres Rauminhaltes durch Aufquellen in den Stollen gebogen und sind schließlich zu Boden gestürzt.

Mit Ausnahme der abgestürzten Blöcke an dieser einen Stelle handelt es sich bei anderen durchwegs um solche unter 1 m³ Rauminhalt. Herum liegende und an den Wänden lehnende oder hängende Bruchstücke waren entlang von Schichtungsflächen – durch tonige Verunreinigungen geschwächte Flächen des Gesteins – begrenzt.

Ein eigenartiges Gefühl stellte sich beim Autor ein. Gegenüber einer natürlich gewachsenen Gipshöhle bewegten sich die Höhlenforscher in einem Hohlraum, der mit der Gewalt von Sprengstoff ausgebrochen war. Ob er in einem ähnlichen Zeitabschnitt, während dem er entstanden war, vom Berg wieder geschlossen würde, war ein nahe liegender Gedanke, aber vielleicht doch nicht ganz der Wirklichkeit entsprechend.

Wie der Bergwerksführer bei seinen Kontrollgängen feststellen konnte, gab es gerade an auffälligen Klüften keine messbaren Bewegungen, an feineren Klüften traten aber jährliche Bewegungen der Kluftränder gegeneinander von etwa 1 mm auf. In Abständen von etwa 2 Jahren markierte er frisch gefallenes Gestein mit farbigen Punkten (rot markiert war 1980 der Verbruch von 1976/1977, gelb derjenige aus den Jahren 1978 und 1979). Farblich nicht gekennzeichnete Bruchstücke waren also erst im Laufe der vergangenen Monate abgefallen.

An etlichen Stellen tritt an natürlichen senkrechten Karstschläuchen von 5 bis 30 cm Durchmesser Sickerwasser in die Stollenanlage ein. An den Seitenflächen der Schlote haben sich typische Korrosionsformen entwickelt, ebenfalls an den Ulmen von Stollen, die in den letzten Betriebsjahren neu ausgesprengt wurden.

Wo Sickerwassergerinne auftreffen, sind in dieser Zeit bereits 10 mm tiefe Laugungsnäpfe und Rillenkarren entstanden. Die Einschwemmungen entlang von braunroten und sandigen Sickerwasserwegen erinnern teilweise an rötliche Lehme oder entkalkten und durch Eisenverbindungen rot gefärbten Karstboden (Roterde, Terra rossa). Kalkige Laugungs-Rückstände, wie sie etwa in der Trübbachhöhle (siehe Fußnote) vorhanden sind, fehlen.


Nordwestlich der Laguz Alpe im Großen Walsertal erstreckt sich im Inneren eines Gipskörpers ein Höhlensystem, das mit über 400 m Ganglänge als die längste Gipshöhle Österreichs angesehen wird. Nach dem in ihr entspringenden Gipsbach wird diese aktive Quell-und Gipslaugungshöhle Trübbachhöhle genannt (Krieg, 1981 & 1988).

Ihre Gänge weisen vielfach waagrechte Laugdecken auf, aus denen scharfkantig zernagte Lösungsrückstände aus härterem Gips und anderen Gesteinen (Kalk, Dolomit) kulissenartig aus der Decke stehen. In der Trübbachhöhle finden sich auch überraschend regelmäßige, tunnelartige Gangstrecken.


Eine Anzahl dieser nach oben ziehenden Karstschläuche war offensichtlich bis zu einzelnen Gipstrichtern im Gelände über dem Bergbau hinauf mit von Sickerwasser durchsetztem, lehmig-feinschuttigem Material verfüllt. Beim Vortrieb wurden diese Schläuche (Pfeifen) von unten her angeschnitten und entleerten sich gleich oder später in unvorhersehbaren, überraschenden Ereignissen, teilweise bis zur Verfüllung des ganzen Stollenprofiles an dieser Stelle.

In der Mitte der Siebzigerjahre soll bei einem solchen Geschehen eine Heubarge in einem dadurch verursachten Erdfall versunken sein. Die in der Landschaft verstreuten Heubargen aus gestrickten Rundhölzern mit Schindeldach sind für das Alpengebiet am Tannberg, im Klostertal und im Montafon landschaftskennzeichnend.

Im stillgelegten Grubenbau konnten hinter diesen Sturzmassen Schlammseen bestehen, in denen sich Gipsschwebeteilchen ungestört ablagern konnten. Dieser mineralische Bodensatz verfestigte sich im Laufe der Zeit zu mehreren Zentimeter dicken Platten und sah Kalksinterdecken ähnlich. Tropfstellen zeichneten sich im flächenhaft abgelagerten Gipssinter durch flache trichterförmige Vertiefungen ab.

Ganz bezaubernd fanden die Besucher der Grube die pastellfarbenen, sinterartigen Bildungen mit den ringförmigen Tropf-Näpfen an der Stollensohle. In der Feuchte der Stollen hatten diese bis zu mehrere Zentimeter starken Gipsdecken schöne grünlichgraue bis smaragdgrüne Färbungen. Die Färbungen bestanden sicher nur in der Dunkelheit und Feuchte des Berges, würden beim Austrocknen verschwinden und zu einem schlichten Weiß werden. Besonders schöne Gipsdecken breiteten sich in einem feuchten Stollenabschnitt nordwestlich des Portales aus.

Waagrechte Laugdecke mit herausragenden Gesteinsresten in einem tunnelartigen Gangabschnitt der Trübbachhöhle bei Marul (Foto: Reinhard Elsensohn)

Fledermäuse oder Spuren von ihnen wurden keine beobachtet, nasses Holz zeigte Beläge von weißen Schimmelpilzkulturen. Vermutlich wegen der niedrigen Temperatur im Stollenlabyrinth schlug auch ein Versuch fehl, eine Champignonkultur anzulegen. Nahe dem Eingang war auf wenigen Quadratmetern eine kleine Schüttung von Substrat dafür vorgenommen worden.

Im östlichen Teil der oberen Stollenebene dringen Baumwurzeln ein, besonders an wasserführenden Klüften. Ebenso an einem Sickerwasserschlot entlang im südlichsten Teil des unteren Stockwerkes. Eine dieser Wurzeln in einem oberen Querstollen hängt 4 Meter frei im Raum. Sie besteht aus drei, vier Einzelwurzeln von Bleistiftdicke, die wiederum neben unzähligen feinen Wurzelzweigen in regelmäßigen Abständen etwa 2 m lange Quertriebe ausgebildet haben und in ein Sickerwasserbecken reichen. In der Nässe dieser Lache verbreitet sich das lebende, bleiche Wurzelwerk unregelmäßig nach allen Richtungen. Die vom Wasser ständig überronnene Wurzel ist verhärtet und dünn mineralisch überkrustet, vermutlich von Kalksinter.

In Karsthöhlen zu beobachtende Bildungen von Gips-Kristallen konnten keine beobachtet werden. Reine Gipskristalle waren nur im Inneren von rundlichen, knolligen Karbonat-Einschlüssen im Gestein erkennbar, und diese auch nur in Millimetergröße. Frei stehende, gut ausgebildete Kristalle mit ebenen Begrenzungsflächen, Ecken und geraden Kanten sind im Gipsgestein außerordentlich selten, sie sind eher in Klüften von Erzlagern, Schwefellager-stätten, in Gipshöhlen und anderen Karsthöhlen zu finden.

Trotz der besonderen Stimmung des Stollenbaues und der einzigartigen kleinen Naturschönheiten, die darin zu sehen waren, kamen schließlich alle wieder gerne ans Tageslicht.

An dieser Stelle möchte sich der Autor bei Herrn Emil Büchel dafür bedanken, dass er ihm aus seinem reichen Bilderschatz einige besondere Schmuckstücke zur Bebilderung des Textes über das Bergwerk zur Verfügung gestellt hat, bei Herrn Karl-Jürgen Schurr für die im Spätsommer 2006 gemachten Außenaufnahmen. Eine wichtige Hilfe stellten die Notizen von Dr. Walter Krieg dar, in denen Feststellungen während der Befahrung des Stollenbaus niedergelegt sind (Krieg, 1980). Beim Versuch dieser kurzen Zusammenstellung der Geschichte des Gipsabbaues bei Dalaas und beim Ausheben von alten Planunterlagen waren ihm Frau Dipl. Ing. Karin Hubmann von der Montanbehörde West in Salzburg, Herr Johannes Rein in Salzburg, Herr Ernst Fritz vom Gemeindeamt in Dalaas, Herr Christof Thöny vom Klostertal Museum in Wald am Arlberg, Herr Friedrich Schön in St. Anton am Arlberg und Herr Michael Laublättner sehr behilflich.


Literaturverzeichnis:

Krieg, Walter. Gipsbergwerk Dalaas. Unveröffentlichtes Manuskript (1980).


(Autor: Elsensohn Reinhard)