Elektromechanisches Stellwerk Bauart EM 55, Wald am Arlberg (Foto: Benedikt Rödel).

Stellwerke sind unverzichtbarer Bestandteil des Eisenbahnwesens – ohne den Einsatz ausgereifter Stellwerkstechnik wäre kein Bahnbetrieb durchführbar. Trotz dieser enormen Bedeutung findet die Stellwerkstechnik keine derart breite Beachtung im Kreis der Eisenbahninteressierten wie beispielsweise das Thema „Lokomotiven“, Stellwerke sind vielmehr ein Forschungsobjekt von Fachleuten. Dementsprechend schwierig ist es für den interessierten Laien, verständliche Informationen über Stellwerke zu erhalten.

In diesem Zusammenhang soll auf das Werk „Eisenbahnsicherungsanlagen in Österreich“ von Christian Hager (siehe Literaturverzeichnis) verwiesen werden, in dem viele Details zur Funktionsweise von österreichischen Stellwerken näher erläutert werden.

Im Fokus dieses Berichts steht das inzwischen abgetragene elektromechanische Stellwerk der Bauart EM 55 des Bahnhofes Wald am Arlberg. Die Gründe für diese Entscheidung sind vielfältig, um nur wenige zu nennen:

Anhand dieser Bauart lässt sich eindrucksvoll die Funktionsweise eines Stellwerkes erklären. Es handelt sich noch nicht um eine komplexe moderne Stellwerksanlage, die über Bildschirm und Maus zu bedienen ist, bei der Bauart EM 55 ist die Technik noch näher „begreifbar“, sozusagen „Technik zum Anfassen“. Außerdem wurde über Jahrzehnte hinweg bzw. wird auch heute noch die Bauart EM 55 auf der Arlbergbahn eingesetzt. Die folgende Liste gibt einen Überblick der Stellwerke EM 55 auf der Strecke Landeck-Bludenz:

InbetriebnahmeAußerbetriebnahmeAnmerkung
Pians27. Mai 195927. Oktober 2013
Flirsch23. September 19652004
Pettneu15. Oktober 19681995Auflassung im Rahmen des
zweigleisigen Ausbaus
Wald a. A.Oktober 196828. August 2007Fernstellung vom Bahnhof Dalaas
Dalaas2. Dezember 196928. Oktober 2006Inbetriebnahme eines neuen
elektronischen Stellwerks, welches
die Fernsteuerung der Bahnhöfe
Hintergasse (2006) und Wald a. A.
(2007) ermöglicht
Braz8. November 1970bis heute in Betrieb

Im Rahmen diverser Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen wird auch das letzte verbliebene Stellwerk dieser Bauart auf der Arlbergbahn bis spätestens August 2021 abgebaut werden. Dies wird vor allem mit Rationalisierungsmaßnahmen einhergehen, wie z. B. die Fernstellung von Bahnhöfen, die heute ohne Personenverkehr nurmehr eine Funktion als Kreuzungsstellen auf der eingleisigen Bergstrecke haben.

Aufbau und Funktionsweise
Im Folgenden sollen der Aufbau und die Funktionsweise des elektromechanischen Stellwerkes Bauart EM 55 kurz erläutert werden.

Elektromechanische Stellwerke stellen in der technischen Entwicklung eine Zwischenstufe dar. Sie bilden eine Brücke zwischen den älteren, mit Seilzügen und reiner Muskelkraft betriebenen, mechanischen Stellwerken und den moderneren Gleisbildstellwerken, die mit Drucktasten auf einem schematischen Gleisplan gesteuert werden. Bei der Bauart EM 55 wird die korrekte Stellung aller Einrichtungen in einem sog. Verschlusskasten (mechanisch) überprüft. Ebenso sind alle Einrichtungen gegen unzulässiges Umstellen (z. B. bei einer Zugdurchfahrt) rein mechanisch gesperrt (Hager, S. 122). Im Gegensatz zu dieser mechanischen Steuerungskomponente werden alle Weichen elektrisch über einen neben der Weiche angebrachten Elektromotor gestellt. Ebenso findet eine permanente elektrische Überwachung der Einrichtungen (Lage der Weichen etc.) statt, so dass eventuelle Unregelmäßigkeiten sofort gemeldet werden.

Alle heutigen elektromechanischen Stellwerke in Österreich lassen sich auf das erste seiner Art, das sog. elektromechanische Stellwerk der Bauart Siemens aus dem Jahr 1912 zurückführen. Die Bauart EM 55 ist eine Weiterentwicklung und wurde nach dem Konstruktionsjahr 1955 benannt (Hager, S. 138). Hersteller waren die damaligen „Südbahnwerke“.

Allgemein betrachtet lässt sich der Aufbau eines Stellwerkes der Bauart EM 55 in zwei Einheiten teilen. Zum einen in das Gleisbild, zum anderen in das Schaltwerk. Betrachten wir zunächst das Schaltwerk. Das Schaltwerk besteht aus Schaltern, welche mit einer farbigen Platte hinterlegt sind. Zum Einstellen einer sog. Fahrstraße – das ist vereinfacht gesagt der gewünschte „Weg“, den der Zug bei den vorhandenen Gleisen nehmen soll – sind Fahrstraßensignalschalter erforderlich. In folgender Aufnahme sind einige Fahrstraßensignalschalter eines EM 55 zu sehen.

Fahrstraßensignalschalter, ehem. Stellwerk Dalaas (EM 55; Foto: Benedikt Rödel)

Fahrstraßensignalschalter sind zur deutlichen Kennzeichnung immer mit einer roten Platte im Hintergrund versehen. Jeder einzelne Fahrstraßensignalschalter steht für eine bestimmte Fahrstraße: Dies wird auf den roten Platten mit Buchstaben-Zahlen-Kombinationen, wie z. B. H1 oder A1, gekennzeichnet (oftmals ist zum Stellen einer Zugdurchfahrt das Betätigen mehrerer Fahrstraßensignalschalter notwendig, siehe unten). Um eine Fahrstraße einzustellen, d. h. um alle Weichen in die richtige Stellung und das Signal auf „Fahrt“ stellen zu können, wird der Fahrstraßensignalschalter etwas herausgezogen und um 90° in die Richtung gedreht, aus der der Zug den Streckenabschnitt befährt. Beim Drehen des Fahrstraßensignalschalters finden in der Anlage Vorgänge statt wie „Sperrmagnet anschalten“, „Weichen- und Verschubsignalschalter schliessen“, usw. (je nach Abstufung des Drehwinkels von 20°, 30°, 38°, 55° bzw. 70°), die hier nicht näher erläutert werden sollen. Vielmehr wird auf Hager, S. 138, verwiesen – dort sind alle Vorgänge detailliert erklärt.

Neben den rot gekennzeichneten Fahrstraßensignalschaltern gibt es auch schwarze Weichenschalter, die zum Steuern einzelner Weichen auf Nebengleisen benutzt werden können. Beim ehemaligen Stellwerk des Bahnhofes Wald war ein derartiger Weichenschalter für die Weichen 101/103 an der östlichen Bahnhofsausfahrt Richtung Innsbruck vorgesehen (siehe Gleisplan Bahnhof Wald am Arlberg).

Es ist nicht nur wichtig, auf die Stellung von Weichen und Signalen mithilfe der Fahrstraßensignal- und Weichenschalter Einfluss nehmen zu können, es ist auch sehr wichtig, Informationen über die augenblickliche Stellung dieser Einrichtungen zu haben. Dazu sind die Stellwerke Bauart EM 55 mit einem Gleisbild ausgestattet, das sich über dem Schaltwerk befindet. Ein Gleisbild ist wie bereits oben erwähnt eine schematische Anordnung der Gleise und spiegelt die örtlichen Verhältnisse wider. In der Stellwerksbauart EM 55 finden sich somit bereits erste Einflüsse der zur damaligen Zeit langsam beginnenden Entwicklung der Gleisbildtechnik.

Gleisbild, ehem. Stellwerk Wald am Arlberg (EM 55; Foto: Benedikt Rödel)

Das Gleisbild mit den eingebauten Meldelampen soll eine Überwachung der Weichen, der eingestellten Fahrstraßen und der Gleisbelegung ermöglichen. Im Gleisbild sind dazu Leuchtschlitze in die Gleislinien eingebaut, die je nach Zustand unterschiedlich ausgeleuchtet sind (Hager, S. 139). Wenn sich beispielsweise ein Zug im Streckenabschnitt befindet, wird die Besetztmeldung durch rotes Leuchten der Leuchtschlitze gekennzeichnet. Ist eine Fahrstraße eingestellt, leuchten diese weiß. Falls keiner der beiden Fälle vorliegt, sind die Leuchtschlitze dunkel (beachte: Die momentane Stellung einer Weiche wird permanent angezeigt). Zusätzlich sind in das Gleisbild die sog. Hauptsignalmelder eingebaut, die die Stellung der Signale anzeigen (a. a. O).

Des weiteren sind Meldelampen für den Streckenblock („Richtungspfeil“) vorhanden, die zur Sicherung von Zugfahrten auf der eingleisigen Strecke vorgesehen sind (siehe unten). Über den Zustand der Schrankenbäume an Eisenbahnkreuzungen mit der Straße informieren ebenfalls Leuchtschlitze. Das Stellwerk Wald am Arlberg verfügte allerdings über keine derartige Meldeeinrichtung, da keine Schranken im Aufsichtsbereich zu bedienen waren.

Neben diesen Meldelampen sind im Gleisbild noch Drucktasten installiert, die umfassendere Handlungen ermöglichen und teilweise mit Zählwerken versehen sind. Die Zählwerke haben die Aufgabe, bestimmte Handlungen des Fahrdienstleiters zu dokumentieren, wobei diese auch noch zusätzlich schriftlich festgehalten werden müssen. Verhindert beispielsweise eine Störung die automatische Rücknahme der Fahrstraße durch den Zug, so kann mit der Fahrstraßen-Hilfsauflöse-Taste die Fahrstraße manuell aufgelöst werden – dieser Vorgang stellt allerdings eine „gezählte Handlung“ dar. Ein anderes Beispiel für eine gezählte Handlung wäre das Öffnen der Schrankenbäume an einer Eisenbahnkreuzung bei eingestellter Fahrstraße (gleichzeitig fällt das Signal auf „Halt“), wenn etwa ein Verkehrsteilnehmer zwischen den Schranken eingeschlossen ist (Hager, S. 140).

Wie wurde eine Zugdurchfahrt am Stellwerk EM 55 des Bahnhofes Wald am Arlberg durchgeführt?
Bevor eine Zugfahrt durch den Bahnhof Wald am Arlberg erfolgen konnte, musste die „blockmäßige Zustimmung zur Fahrt (sofern sie nicht vorhanden ist)“, d. h. der Richtungspfeil, eingeholt werden (Hager, S. 141). Der Fahrdienstleiter des Bahnhofs Wald am Arlberg stand nicht alleine, sondern war in den Betriebsablauf eingebunden und musste mit den benachbarten Bahnhöfen Dalaas bzw. Langen am Arlberg kommunizieren. In diesem Zusammenhang spricht man auch von der Unterteilung der Bahnstrecke in einzelne Abschnitte, den sog. Blöcken. Der Richtungspfeil konnte nur von einem anderen Bahnhof an den Fahrdienstleiter von Wald am Arlberg weitergegeben werden, es war aus Sicherheitsgründen nicht möglich, sich den Richtungspfeil selbst zuzuteilen.

Wenn ein Zug in den Streckenabschnitt Dalaas – Wald am Arlberg bzw. Langen am Arlberg – Wald am Arlberg eingefahren ist, wurde die Vorblockung wirksam und der Richtungspfeil, welcher im Gleisbild als Leuchtmelder eingebaut war, begann rot zu leuchten. Ab diesem Zeitpunkt war es nicht mehr möglich, einen Gegenzug in den besetzten Abschnitt einfahren zu lassen.

Leuchtschlitze im Gleisbild: Fahrstraße und Besetztmeldung eines Gleises. Am rechten Bildrand ist der „Richtungspfeil“ zu sehen (Foto: Benedikt Rödel).

Es war somit an der Zeit, die Durchfahrt zu stellen. Auf dem Gleisbild sind neben den Anfangs- und Endpunkten der einzelnen Abschnitte (z. B. Abschnitt Einfahrsignal bis zum Ausfahrsignal im Bahnhof usw.) wie oben erwähnt Buchstaben-Nummern-Kombinationen abgedruckt. Diese sind notwendig um Start bzw. Ziel der gewünschten Fahrstraße festzulegen. Die genannten Buchstaben-Nummern-Kombinationen finden sich auch auf den Fahrstraßensignalschaltern wieder, mit denen die jeweilige Fahrstraße durch Drehen um 90° festgelegt wurde. Anschließend konnten die Stellung der Weichen und Signale am Gleisbild gesehen werden.

Ein Wecker meldete dem Fahrdienstleiter die in Kürze bevorstehende Zugdurchfahrt und forderte diesen auf, zur Zugbeobachtung die Fahrdienstleitung zu verlassen. Nachdem der Zug durchgefahren war und die Fahrstraße automatisch aufgelöst wurde, galt es, die Fahrstraßensignalschalter und damit alle Weichen wieder in die Grundstellung zu stellen. Die ordnungsgemäße Zugdurchfahrt wurde anschließend handschriftlich im Zugmeldevormerk festgehalten.

Falls Züge im Bahnhof Wald am Arlberg einen betriebsbedingten Kreuzungshalt zum Abwarten eines Gegenzuges einlegen mussten, waren weitere Handlungen notwendig, die hier nicht beschrieben werden sollen. Ebenso unerwähnt bleiben besondere Maßnahmen durch Störungen oder Unregelmäßigkeiten im Bahnbetrieb.


Literaturverzeichnis:

Hager, Christian. Eisenbahn-Sicherungsanlagen in Österreich. Band 1: Stellwerke. Wien: 1984.

Wegenstein, Peter. Bahn im Bild. Bd. 97: Von Innsbruck nach Bludenz. Wien: Pospischil, 1997.


(Autor: Benedikt Rödel)